Ein besonderer Tag am KGB
Pastor Volker Thiedemann kündigte mir im Mai 1999 telefonisch einen Gast aus Tansania an. „Er ist auf Einladung der Evangelischen Kirche in Norddeutschland und möchte Grüße von Ihrer Partnerschule in Ngarenanyuki an Sie und Ihre ganze Schule übermitteln.“ Er nannte auch seinen Namen: James Somi. Natürlich kannten wir ihn nicht.
„Man sollte den Versuch machen“, fuhr er fort, „möglichst die ganze Schule in den Besuch von James Somi einzubeziehen.“
„Kein Problem“, antwortete ich, „in der großen Pause werden wir alle Schüler und Lehrer in die Kuhle bitten.“
Pastor Thiedemann bereitete mich außerdem darauf vor, dass Mr. Somi und seine Begleiterin, eine tansanische Studentin, für uns singen möchten.
„Dann wäre es allerdings sinnvoll, vorher Stücke festzulegen, damit zumindest eine Klavierbegleitung arrangiert, vielleicht auch eine Probe vereinbart werden könne“, gab ich zu bedenken.
„Nicht erforderlich“, war Pastor Thiedemanns knappe Antwort, „die können das.“
Kurze Zeit später beendete er das Telefonat, meine Bedenken blieben. Wie sollten zwei Menschen ohne Instrumentalbegleitung vor Hunderten von Schülern in unserer überfüllten Kuhle singen, ohne dass kichernde Mädchen oder alberne Jungen diese Situation schamlos ausnutzen würden, ohne dass dieser Besuch in einem Fiasko enden würde.
Wenige Tage später war es dann so weit. James Somi und seine Begleiterin kamen in das Kreisgymnasium. Mr. Somi war ein kleiner, auf den ersten Blick ein eher unscheinbar wirkender junger Mann. Seine lebendigen Augen, seine kurzen schnellen Schritte verrieten aber schon bald, wie viel Energie in ihm steckte. Er trug einen viel zu großen Anzug aus dünnem hellgrünem Stoff, der beim Gehen um ihn herumschlabberte. In der großen Pause gingen wir gemeinsam auf die Bühne, ich stellte unsere Gäste in englischer Sprache vor und überließ James Somi das Mikrofon. Schüler und Lehrer sahen erwartungsvoll zur Bühne und waren gespannt, was nun folgen würde. James Somi sagte erstmal nichts, sondern begrüßte alle Anwesenden mit einem lachenden, mit einem strahlenden Gesicht und übermittelte dann herzliche Grüße von der tansanischen Partnerschule und überreichte mir ein Geschenk aus Ngarenanyuki für das Kreisgymnasium.
Anschließend bat er mich, den Schülern auf Deutsch zu sagen, dass jeder die Hand seiner Nachbarn ergreifen möge, denn er wollte nun für sie beten. Zu meiner Verwunderung sah ich, dass alle Schülerinnen und Schüler taten, worum er sie gebeten hatte. Und nun sollten alle die Augen schließen. Und auch dies geschah ohne erstauntes Gemurmel oder gar Gelächter. Unglaublich! Und dann fing James Somi an, mit kräftiger Stimme auf Kisuaheli zu beten. Natürlich verstand niemand, was er sagte, aber die ganze Kuhle war mucksmäuschenstill. Niemand drehte sich um, um zu sehen, ob jemand vielleicht grinste. Alle standen mit geschlossenen Augen da und hörten zu. Ab und zu fielen die Worte „Kreisgymnasium Bargteheide“ und „Ngarenanyuki Secondary School“, man konnte also ahnen, worum es in seinem Gebet ging.
Und dann sangen die beiden Menschen aus Afrika auf unserer Bühne ein tansanisches Lied, zweistimmig, selbstbewusst, mitreißend. Die ganze Kuhle klatschte frenetisch! Sie beide – eigentlich war es vor allen Dingen James Somi – hatten alle Schüler innerhalb von 10 Minuten begeistert, ja verzaubert. Was für eine unglaubliche Ausstrahlung dieser kleine Mann besaß!
Der Zufall wollte es – welch glücklicher Zufall ! – , dass James Somi wenige Jahre später Schulleiter an der Ngarenanyuki Secondary School wurde, dann Partner, Vertrauter, Freund von vielen Menschen in Bargteheide. 2004 wurde der Tansania-Förderverein e.V. gegründet, mit dessen Hilfe in den folgenden Jahren die Partnerschule in Tansania baulich erneuert und erweitert wurde, viele Unterrichtsmittel finanziert wurden.
Wenn Sie mehr über den Tansania-Förderverein und die äußerst positive Entwicklung der Ngarenanyuki Secondary School erfahren möchten, besuchen Sie doch bitte die neu gestaltete Homepage des Tansania-Fördervereins.
Wir freuen uns über Ihr Interesse.
Hans Ilmberger
Schulleiter des KGB von 1996 – 2010