Projekttag Geschichte am Kopernikus Gymnasium Bargteheide anlässlich des 60. Jahrestages des Mauerbaus
Nach einer langen, coronabedingten Dürre außerschulischer Projekte war die Freude in der Geschichtsfachschaft groß, endlich wieder einen Experten von außerhalb einladen zu können.
Am 13. August 2021 jährte sich der Bau der Mauer, die Deutschland 28 Jahre lang teilte, zum 60. Mal. Dies nahmen die Fachleiterinnen Susann Laatsch und Aurélie Stirnal zum Anlass, die Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs am 18. August mit dieser Thematik genauer vertraut zu machen. Während in den ersten drei Stunden die Geschichtslehrer der einzelnen Kurse, Frau Groth, Frau Lassen, Frau Ziebek und Herr Wist eine historische Einführung gaben, folgte im zweiten Teil das Highlight des Projekttages: Ein Bildvortrag von Siegfried Wittenburg, aufgewachsen an der Ostsee Mecklenburg-Vorpommerns, selbst Zeitzeuge und Fotograf. Anhand seines großen Fundus an Bildern erzählte er vom Alltag der Menschen östlich der Mauer. Im Nachgespräch gaben die 10. Klässler an, dass ihnen das Verweben von Zeitgeschichte und Familiengeschichte besonders gut gefallen habe. „Besonders spannend fanden wir die Geschichten, die Herr Wittenburg selbst miterlebt hat und dass man dadurch einen tieferen Einblick in die damalige Zeit bekommen hat“, resümierten Lucy Mac Arthur und Jil Röttger aus der 10. Klasse den Bildvortrag.
Als Siegfried Wittenburg nach dem Mauerfall in seine Stasiakte Einblick nimmt, wird ihm gesagt, dass sein Leben ein Drahtseilakt gewesen sei – ein falsches Wort, ein falscher Schritt und er wäre tief gefallen. Bereits in eine kritische Familie hineingeboren, fingen die Sorgen schon in der Grundschule an: Wer keine Jungpionierkleidung auf dem Klassenfoto trug, machte sich bei der Lehrerin verdächtig. Keine Jugendweihe und die damit verbundene Angst, dass einem dies die Zukunft verbaut hat. In der Schule wurden die Kinder propagandistisch beeinflusst, die Gründung der DDR 1949 sei zum Beispiel gar nicht gewollt gewesen, sondern nur eine Reaktion auf die Gründung der BRD.
Wie tief die Zeitgeschichte in die Familiengeschichte Wittenburgs Einfluss genommen hat, dafür konnte er viele Beispiele angeben: Von einem seiner Brüder war er durch den „antifaschistischen Schutzwall“ getrennt, ein anderes Familienmitglied bezahlte mit dem Leben dafür, dass er in einem Verlag kritischen Autoren erlaubte, Bücher zu veröffentlichen. Zeitweise war es selbst vom Dienst als Ausbilder von Nachwuchsfotografen suspendiert, weil er ins Visier der SED geraten war und man ihm vorwarf, schweren politischen Schaden angerichtet zu haben.
Auch sehr persönliche Fotos seines Lebens zeigte Wittenburg den Schülerinnen und Schülern: So zum Beispiel ein Bild, auf dem er seinen gerade geborenen Sohn auf dem Arm hält. Und während dies eine Lebensphase des Glücks sein sollte, schwang bei ihm ein furchtbares Gefühl mit: „Wenn sich politisch nichts ändert, wächst mein Sohn in Gefangenschaft auf“. Umso glücklicher sei er heute, Kinder und Enkelkinder in Freiheit und Demokratie leben zu sehen.